Wollstube

Rohwolle waschen, aber wie?

Jede von uns, die schon einmal Rohwolle in der Hand gehalten hat, weiß: Schafe können wahre Dreckschweine sein. Selbst wenn die klassischen „Problemzonen“ Bauch, Beine, Po aussortiert sind, heißt das noch lange nicht, dass die Wolle „sauber“ ist. Doch wie wäscht man Roholle richtig? Die einfache Antwort lautet: Viele Wege führen nach Rom.


Hinweis:
Dieser Text ist im Herbst 2020 im Magazin der Handspinngilde Mit Spinnrad & Spindel, Ausgabe 31, erschienen. Das gesamte Magazin und weitere Ausgaben können im Onlineshop der Handspinngilde erworben werden.


Das Wichtigste vorweg: Es gibt nicht DIE EINE Methode, um Rohwolle zu waschen. Es gibt ein paar Grundregeln, die man beachten sollte, will man am Ende nicht einen Klumpen Filz aus der Wäsche ziehen. Wenn man aber diese Grundregeln kennt und berücksichtigt, ist die Welt der Rohwollwäsche ein bunter Strauß an wilden Blumen, aus denen jede sich ihre Lieblingsmethode pflücken kann. Fakt ist auch: Jede von uns macht ihre eigenen Erfahrungen mit den verschiedenen, zur Verfügung stehenden Methoden. Die eine schwört auf die Pflanzenreste-vernichtende Methode der Fermentation, während die nächste ein grau gewordenes Vlies aus der süßlich stinkenden, von Larven wimmelnden Brühe zieht und das Vlies frustriert der Mülltonne übergibt. Manche von uns hat höchstes Vertrauen in ihre Waschmaschine, in der sie all ihre Vliese wäscht, während andere gruselige Geschichten von verfilzten Waschproben zum Besten halten.

Fermentation: Eine Methode, die ich nicht wiederholen werde… 😀
Da schrecken auch Big Packs voll ungewaschener Wolle nicht ab.

Was es zu berücksichtigen gilt: bei dir vor Ort

Zuallererst solltest du dir deine Möglichkeiten zu Hause anschauen. Nicht jede von uns wohnt in einem Haus mit Garten. Wer in einer kleinen Mietwohnung in der Großstadt wohnt, sollte bedenken, dass die Dreckbrühe, die beim Rohwolle Waschen entsteht, durchaus das Potenzial für verstopfte Abwasserleitungen bietet. Die Mischung aus Schafhinterlassenschaften im Vlies, Dreck, Sand und dem Wollschweiß des Schafs ist durchaus nicht ohne und wenn das Wasser abkühlt, in dem all das mehr oder weniger gelöst ist, wird auch diese Mischung wieder zäher, kann sich absetzen und eben zu den Verstopfungen in den Rohren führen. In dem Fall sollte man sich überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, Rohwolle in großem Stil zu Hause zu waschen.

Wer einen Hof oder Garten zur Verfügung hat, kann hier schon großzügiger zur Sache gehen. Hier sollte nur bedacht werden: Klar ist die Dreckbrühe ein toller Dünger, aber nur, wenn auf künstliche Waschzusätze verzichtet wird. Wenn mit Waschmitteln gewaschen wird, gehört die Brühe in die Kanalisation und nicht in die Natur. Und, um auch dies zumindest schon erwähnt zu haben: Die Wäsche der Rohwolle in fließendem Gewässer ist zumindest hierzulande nicht gestattet.

Wir haben einen Innenhof mit einem eigenen Abfluss in die Kanalisation.
Viel Platz, Luft und Licht zum Trocknen.

Was es zu berücksichtigen gilt: am Vlies

Jedes Vlies ist einzigartig. Sicher gibt die Schafrasse häufig schon einen Hinweis darauf, ob das Vlies schnell zum Filzen neigt oder zu denen gehört, die man tatsächlich im Wollwaschgang in der Waschmaschine waschen kann. Aber auch hier gibt es Unterschiede, denn ungewöhnliche Vliese sind immer möglich. Das Wichtigste, das man immer im Hinterkopf behalten sollte: Wolle filzt, wenn die folgenden Dinge zusammenkommen: Feuchtigkeit, Hitze (bzw. Temperaturwechsel) und Bewegung / Reibung. Wie groß der Einfluss von Seife auf den Filzprozess ist, können unsere Filzerinnen sicher besser erklären als ich.

Ich betrachte meine Vliese deshalb nach den folgenden Kriterien:

  • Wie sehr neigt die Wolle laut Rassebeschreibung zum Filzen?
  • Wie fein ist dieses spezielle Vlies?
  • Wie lang sind die Fasern?
  • Wie verdreckt ist das Vlies? (Dreck = Schafhinterlassenschaften…)
  • Sind die Spitzen sehr verklebt oder offen?
  • Wie „fettig“ erscheint das Vlies?
  • Ist das Vlies von sich aus zusammenhängend oder zerfällt es in einzelne Locken / Faserbüschel?
  • Wie wertvoll ist das Vlies für mich?

Je nachdem wie ich diese Fragen beantworte, passe ich meine Waschmethode an.

Texelwolle: Lange Fasern, wenig Filzneigung. Hier reichht meine “schnell & effizient”-Waschmethode
Und mit einem herrlichen Crimp, der auf tolle Elastizität im Garn hoffen lässt
Gotland-Lammwolle, total verdreckt, aber herrliche Fasern! Mit starker Neigung zum Filzen
Hier lohnt ein höherer Aufwand beim Waschen, dazu in einem anderen Beitrag mehr

Die „schnell & effizient“ Methode mit Wäschenetz

Ich habe das Glück, auf den Resten eines ehemaligen Bauernhofes zu leben. Praktisch heißt das: Ich habe einen von allen Seiten umschlossenen, betonierten Innenhof zur Verfügung, der einen Heißwasseranschluss und einen Gully hat, über den ich die Waschbrühe direkt in die Kanalisation entsorgen kann. Hinzu kommt der Schäfer hier im Ort, der Texelschafe züchtet und mir deren Wolle gern überlässt.

Die Wolle der Texelschafe neigt nicht dazu, zu verfilzen. Deshalb gibt es durchaus einige, die die Vliese nehmen, in ein Waschnetz stecken und direkt in der Waschmaschine waschen. Das ist eine Methode, die ich für mich persönlich ausgeschlossen habe, da ich nur über eine Waschmaschine verfüge und es nicht über mich bringe, diese für die Rohwollwäsche zu benutzen. Ganz klar: Das ist eine persönliche Entscheidung, erwachsen aus der Kombination der anderen Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen.

Die Waschnetze erleichtern das Waschen.

Wolle sortieren

Zuallererst sortiere ich die Vliese grob vor, da das der Schäfer hier nicht macht. Für ihn ist die Wolle (bisher noch…) ein Abfallprodukt. Ich sortiere die Vliese einmal von der Schnittseite her, um hier schon grob den Nachschnitt abzusammeln, dann von der Außenseite. Hier sehe ich sehr schnell, wo die Spitzen zu verdreckt oder verfilzt sind. Da ich bei der Texelwolle quasi an einer unerschöpflich sprießenden Quelle sitze, sortiere ich arg Verklebtes tatsächlich aus, auch wenn es sich mit mehr Aufwand evtl. retten ließe… dazu ein anderes Mal mehr.

Die derart vorsortierte Wolle teile ich in Portionen, die in meine Waschnetze passen. Die Texelwolle hängt von sich aus gut zusammen, ohne gefilzt zu sein. Das mache ich mir hier zunutze: Die Waschnetze sorgen dafür, dass ich die Wolle unkompliziert von einer Waschschüssel in die nächste heben kann, ohne dass mir alles auseinanderfließt. Und die „Lockenstruktur“ bleibt durch die Eigenschaft der Texelwolle beim Waschen gut erhalten und ich kann die gewaschenen Locken später problemlos sortieren und weiterverarbeiten.

60° und Power Scour

Wie gesagt habe ich im Hof einen Heißwasseranschluss. Das heißt, hier kommt das Wasser mit rund 65° aus der Leitung. Da wir Solarthermie auf dem Dach haben, versuche ich möglichst an sonnigen, heißen Tagen viel zu waschen. Über die Zeit habe ich mir verschiedene Waschschüsseln besorgt, die bis zu 55 Liter Wasser fassen. Der Vorteil ist: Ich kann effizient große Mengen Wolle waschen und durch die schiere Menge des Wassers behält es erstaunlich lange die hohe Temperatur bei. Dicke Gummihandschuhe schützen meine Hände beim Reingreifen in die heiße Brühe (gibt es bei den wohlbekannten Arbeitsbekleidungs-Ausstattern…).

Ich benutze als Waschzusatz Power Scour. Das ist kein billiges Waschmittel. Ich habe auch Kernseife ausprobiert, war aber nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Geschirrspülmittel sei auch ein probates Mittel… das habe ich noch nicht getestet. Meine Gründe für Power Scour: Das Waschmittel ist auf die Wäsche von Rohwolle spezialisiert und ich LIEBE den Geruch der mit diesem Waschmittel gewaschenen Schafwolle. Den Preis ist mir beides wert.

Ich dosiere nach der Empfehlung des Herstellers, lass die Wolle drei Waschgänge durchwandern und jeweils mindestens 15 Minuten einweichen. Dabei drücke ich die Waschnetze immer wieder mal unter Wasser, allerdings ohne allzu viel seitliche Bewegung. Beim dritten Waschgang bleibt das Wasser in den allermeisten Fällen klar. Es folgen zwei Spülgänge mit ebenso heißem, aber klarem Wasser ohne Waschzusätze. Zwischen den einzelnen Waschgängen drücke ich die Wolle mit Hilfe der Waschnetze vorsichtig aus, um nicht zu viel der Dreckbrühe mitzunehmen. Nach dem letzten Waschgang kommt die Wolle im Waschnetz in die Schleuder. Diese habe ich in der Bucht gebraucht günstig erstanden. Durch das Schleudern wird die Wolle etwas aufgeflufft und an sonnigen, warmen Tagen ist sie dann nach rund drei Stunden trocken.

Mein persönliches Wasch-Zaubermittel: Power Scour
Trocknet erstaunlich schnell nach dem Schleudern
Nach der Wäsche. Die verklebten Spitzen sind noch zu sehen, der Dreck ist aber nun gut brüchig

Nacharbeit

Bei dieser Waschmethode geht sehr viel Dreck und Wollschweiß aus der Wolle raus. Was nicht klappt: Die verklebten Spitzen sind zumeist weiterhin verklebt. Durch die Wäsche ist der Dreck aber gut angelöst und brüchig geworden, so dass sich die Spitzen mit der Flick- oder Handkarde gut aufbürsten lassen. Außerdem ist die Wolle – zumindest bei mir – nicht fettfrei. Auf den ersten Blick scheint es zwar so, aber sobald ich anfange zu kardieren und zu kämmen wird sichtbar, wie viel Restfett dennoch enthalten ist. Ich persönlich mag das bis zu einem gewissen Grad. Wenn jedoch zu viel Restfett enthalten ist, wird vor allem das Kämmen (meine präferierte Aufbereitungs-Methode) sehr mühsam. Dann wasche ich die Wolle noch einmal – mit möglichst heißem Wasser. Das musste ich aber bisher nur einmal machen, als ich mit der Kernseife experimentiert habe… Mit dem Ergebnis bin ich bisher immer sehr zufrieden gewesen. Ich wende diese Methode vor allem bei Vliesen an, bei denen ich weiß, dass sie wenig zum Filzen neigen und bei denen mir das Sortieren in einzelne Locken VOR dem Waschen als zu mühsam erscheint für das erwartete Garnergebnis. Wobei ich kürzlich auch einem sehr feinen Shetlandvlies diese Wäsche angedeihen ließ. Warum? Ich vermutete, dass es leider teilweise einen Bruch in den Locken hat. Nach dieser Erkenntnis erschien mir eine aufwändigere Wäsche nicht mehr als lohnenswert und ich habe meine „schnell & effizient“-Methode angewandt. Das Ergebnis? Erstaunlicherweise keinerlei Filz! Jetzt bin ich gespannt, wie viel der Shetland-Wolle ohne Bruch am Ende übrigbleibt.

Mit Hilfe der Handkarde öffne ich die Spitzen und die Schnittkante vor und kann dann mit den Kämmen loslegen
Jedes Mal wieder eine Freude, die Fasern von den Kämmen zu ziehen.
Wolkenkiste…

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3 thoughts on “Rohwolle waschen, aber wie?

  1. Hallo Claudia, habe jetzt einiges an Wolle per Hand gewaschen. Sehr viel Arbeit. Jetzt 1 x in der Maschine probiert, leider alles verfilzt. Ich denke es war das schleudern bei mir. Ich versuche grad noch eine Maschine voll, diesmal ohne schleudern. Shropshire Schafswolle. LG aus Wien

  2. Hallo Claudia,
    mit dieser Beschreibung werde ich mich endlich trauen, erst mal ein Vlies unserer Coburger Fuchsschafe zu waschen. Ich bin grad dabei, das Equipment zu besorgen. Wie viel Umdrehungen darf/sollte die Schleuder haben? Ich habe eine alte mit 2800 gefunden.
    Vielen Dank für eine Rückmeldung.
    Kathrin

    1. Hallo Kathrin,
      das freut mich sehr, wenn Dir mein Bericht geholfen hat! Es macht so viel Spaß mit Rohwolle zu arbeiten!
      Zu Deiner Frage: Die Umdrehungen dürften kein Problem sein. Wichtig ist, dass sich die Wolle beim Schleudern nicht bewegt, was sie aber ja nicht tun dürfte, weil sie quasi sofort nach außen gegen die Wand gedrückt wird und dort bleibt. Sorge für eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Wolle in der Trommel, damit es keine Unwucht gibt. Ich habe sogar schon feinste Merinofasern in dieser Schleuder gehabt. Kein Problem. Das Waschen und die Bewegung in Kombination von warmem Wasser mit Seife sind da eher das Kritische.
      Ich wünsche Dir viel Spaß!
      Claudia

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