Spinnen mit dem Rocken, Wollstube

Ausflüge ins Experimentelle

Man sagt mir ja eine gewisse Faszination für Historisches nach… (surprise, surprise!) Da ist es ja recht naheliegend, dass mich das Wolle-Verarbeiten natürlich auch aus einer gewissen Neugier für alles Vergangene interessiert. Der Gedanke, dass Jahrtausende lang (ja tatsächlich! Jahrtausende!) jeder Faden, jedes Stück Stoff in Handarbeit entstanden ist, lässt mich immer wieder voll Bewunderung – gespickt mit einem Hauch Entsetzen – zurück. Erst wenn man selbst einmal 100 g Wolle komplett selbst produziert hat, kann man ermessen, wie viel Arbeit all das gemacht hat. (Ich guck jetzt besser nicht in meinen Kleiderschrank… die Wertschätzung für Kleidung steigt jedenfalls…)

Rocken mit kardierter Wolle bestückt.

Keine Spinnerin ohne Rocken

Beim Spinnen fängt man zwangsläufig mit industriell hergestellten Kammzügen und Vliesen an. Für die Verarbeitung dieser gibt es unzählige, wirklich lehrreiche youtube-Videos. Mein Favorit (wie für so viele, die dem Spinnvirus verfallen sind) ist Chantimanou.
Doch wenn man dann beginnt, das Spinnmaterial quasi direkt den Schafen (Alpakas, Kamelen, Ziegen, Hasen…) vom Leib zum nehmen, dann bekommen ältere Methoden durchaus Sinn. Schaut man sich alte Bilder an, sieht man quasi keine Spinnerin ohne einen Spinnrocken (engl. Distaff). Dieses Teil hat doch einige Vorteile: Man hat die Hände frei, weil der Wollvorrat eben nicht in der Hand gehalten werden muss (kann eine sehr schwitzige Angelegenheit sein…) und theoretisch müsste es damit sogar möglich sein, zwei Fäden gleichzeitig zu spinnen… Zumindest las ich davon, dass – gerade in der Zeit des Umbruchs zur maschinellen Fertigung von Garnen – durchaus einige SpinnerInnen anfingen, sich das beizubringen, um die eigene Produktion zu verdoppeln und „konkurrenzfähig“ zu bleiben. Extrem faszinierend für mich, extrem belastend wohl für die Menschen, die es damals betraf.

Rocken von einem alten Spinnrad

Zurück zum Sinn des Rockens: Gestern habe ich den halben Tag damit verbracht, gewaschenes Texel-Schaf zum Spinnen vorzubereiten. Während ich so die einzelnen „Locken“ vorbereitete, fragte ich mich, wie ich die weiter verarbeiten würde und mir kam mein Rocken in den Sinn. Das perfekte Probematerial für die ersten Ausflüge in dieses Gebiet. Denn: Die einzelnen Locken aus der Hand immer wieder anzusetzen, ist doch recht… zeitaufwändig. Der Rocken sollte hier doch Abhilfe schaffen können?!

Beim Start meiner Spinnkarriere (ich war mir noch längst nicht sicher, ob mir DAS Spaß machen würde…) wollte ich nicht gleich 400-500 Euro für ein neues Spinnrad ausgeben. Also ab in die Bucht. Und tatsächlich hatte ich „Glück“ und erstand dieses Schätzchen für einen schmalen Taler. –>
Der Großvater des Verkäufers hat wohl noch selbst gesponnen und dieses kleine Rädchen selbst gedrechselt nach einem alten Vorbild, auf dem er wohl selber spann. Superschick! Aber: Für mich zu klein, wie ich recht bald feststellte… Nun steht es und schaut mir (vielleicht ein wenig wehleidig?) zu, wie ich auf meinem Minstrel spinne…

Mein Ebay-Fund und erstes Spinnrad, noch mit einem alten Flachszopf auf dem Rocken

Modifikationen

Nunja, der Rocken steckte nun aber lang genug ungenutzt auf dem Rädchen. Den Flachs habe ich entfernt (mit Flachs hab ich mich noch nicht beschäftigt… das folgt sicher auch noch) und den Rocken selbst ein wenig modifiziert. Es hat mich fast eine halbe Stunde Zeit gekostet, die Webseite wieder zu finden, auf der beschrieben wird, wie man einen Spinnrocken bestückt… Was nun der Grund für diesen langen Sabbel-Eintrag war:
Hier zeigt Katrin Kania (Pallia.net), deren Beruf es ist, Stoffe für Museen mit historischen Mitteln nachzuproduzieren (wie geil ist das denn?!), wie ihrer Meinung nach der Rocken bestückt wird.

Also ran an Heißklebepistolle, Leinenstoffstreifen und Rocken (ich gebe zu, ich habe lange überlegt, ob ich dem Rocken lieber mit winzigen Nägeln oder dem Heißkleber zu Leibe rücke… Spoiler: Der Heißkleber ging problemlos wieder ab, sehr zu meiner späteren Freude).

Mit Heißklebepistole und einem Leinenstreifen rückte ich dem Rocken zu leibe…
Hält… für die ersten Gehversuche im Spinne mit dem Rocken.

Und da ich ja jetzt die Anleitung zum Bestücken wieder habe (und die Seite für mich nicht wieder in den Tiefen des www versinken wird), mach ich mich nun an die ersten Versuche mit meinem schicken Spinnrocken.
Schönen Sonntag!

PS: Diese Webseite von Via Nostra wollte ich mir ja auch noch merken…

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